Berlin! Was ist eigentlich passiert?

Es fühlt sich in diesen Tagen häufig so an, als müssten wir nochmal aus unserer Geschichte erzählen. Manchmal hilft ein Blick zurück ja, um in der Gegenwart den Kompass auszurichten. 

Wenn man ein Gelände nur dann bekommt, weil man es der Stadt gegen Höchstgebot abkauft, dann hat das Folgen:

Irgendwer muss die Rechnung begleichen! Es geht nicht anders. Machen wir’s also konkret: Der Holzmarkt muss jedes Jahr allein an Zinsen mehr als eine Million Euro aufbringen für das Grundstück und die Finanzierung. Eine solche Summe will erst einmal erwirtschaftet sein. Wenn mancher uns heute nun deshalb „Kommerz“ vorwirft, dann..., ja … was sollen wir dann eigentlich antworten?

Schön, dass es heute einen anderen Zeitgeist gibt und städtische Flächen nicht mehr zum Höchstpreis verschleudert werden. Wie gut wäre es gewesen, wenn das auch am Holzmarkt so geklappt hätte. Hat es aber nun mal nicht. Ein anderer Wind wehte damals und städtische Grundstücke, Wohnungen und Betriebe, das Tafelsilber unserer Gesellschaft, wurde verscherbelt wo es nur irgendwie ging. Absurd! Da sind wir uns doch alle einig! Aber, so dachten wir damals, wenn man eine Vision hat, dann sucht man auch bei Gegenwind nach kreativen Wegen sie zu verwirklichen. 

Wir haben uns also 2012 trotz(!) Höchstgebotsverfahren dafür entschieden, das Gelände anders zu entwickeln, als in Berlin üblich. Und dafür haben wir viele warme Worte aus der Politik gehört. Statt mit Bürotürmen und exklusiven Eigentumswohnungen maximal zu verdichten, war es unsere Vision ein ganz neues Stadtquartier zu schaffen. Wer die Ecke hier zwischen 6 spuriger Hauptverkehrsstraße, Tankstellen, Autowaschanlagen und Zugstrecke kennt, der weiß, es war bei bestem Willen kein Wohlfühlort. Wir haben uns gefragt: Wie wollen wir hier zusammen leben und arbeiten? Wir, die hier genau das seit vielen Jahren schon getan haben. Und wir, die wir damals ganz vorn mitgelaufen sind, als es darum ging die Mediaspreeplanungen der Stadt noch zu verhindern, die aus dem Flussufer ein Disneyland für Spekulationsarchitektur machen sollten und zu weiten Teilen auch gemacht haben. 

Also haben wir das Gelände mit einer Kita bebaut, öffentliche Grünanlagen und Wege geschaffen. Wir haben das Spreeufer renaturiert und es der Nachbarschaft und den Bibern wieder zugänglich gemacht. Haben Raum für Künstler, Artisten, für Kleingewerbe wie Handwerker und Bäcker sowie gemeinnützige Projekte geschaffen. Haben Konzepte ausgetüftelt und umgesetzt, das ganze Quartier mit nachhaltiger Energiegewinnung zu versorgen und innovative Wege der Kreislaufwirtschaft auszuprobieren. 

Wir haben auf dem Holzmarkt auf 90% (!) der erlaubten Bebauung verzichtet und damit vielen anderen Immobilienentwicklern in der Stadt den Schweiß auf die Stirn getrieben: Wer lässt schon zehntausende Quadratmeter wertvoller Gewerbeflächen brachliegen, wenn er das Gelände meistbietend kaufen musste? Viele Anzugträger auf Immobilienkongressen schüttelten da den Kopf . Nun ja - wir haben halt mal mit selbst gezimmerten Bretterbuden angefangen. Da ist man eben vielleicht auch etwas naiv. 

Vielleicht auch deshalb hätten wir uns wohler gefühlt, wenn das Land Berlin damals das Erbbaurecht übernommen hätte. Wir haben das zwei Mal angeboten, für den gesamten Holzmarkt und nach dem Grundstücksverkauf noch einmal für das Eckwerk. Die Antwort der Stadt? Zwei Mal: „Nein“. 

Wie gesagt, der Wind war früher ein Anderer. Damit mussten wir leben und andere Wege gehen. Aber wer erinnert sich heute schon noch daran?

Immerhin konnten wir unsere Vision für den Holzmarkt mit der Stadt in einem städtebaulichen Vertrag besiegeln. Mit dem Erbpachtmodell zwischen Stiftung Abendrot und der Holzmarktgenossenschaft wurde jede Spekulation mit dem Grundstück unmöglich. 

Wer den Rest des Spreeufers in F-Hain und Kreuzberg kennt, der weiß, was diese Worte hier ganz konkret bedeuten und welchen Unterschied sie machen. Für alle Anderen empfehlen wir zur Meinungsbildung einen Spaziergang entlang des Ufers. Naja - offen gesagt bestehen wir sogar drauf!

Wir haben auf den Vertrag mit der Stadt gebaut und vertraut. Er sah auch vor, dass im nördlichen Teil des Geländes das Eckwerk entstehen kann. Eckwerk und Holzmarkt waren so von Geburt an zusammen gedacht, bedingten einander. Mit viel Rückenwind aus Politik und Verwaltung konnten damals also die extrem aufwendigen Planungen und Bauvorleistungen beginnen. Ein Märchen schien wahr zu werden und die Welt staunte, was in Berlin noch möglich ist.

Dann passierte das, was vielen Leuten in der Stadt – auch uns – große Hoffnung für die Stadtentwicklung machte: Nach den Wahlen regierte eine neue Koalition die Stadt, die mit großen Ambitionen antrat. Der Wind hatte sich endlich gedreht und nun standen bezahlbare Wohnungen und städtisches Allgemeingut wieder ganz oben auf der Prioritätenliste. Dass damit aber scheinbar auch bei manchem eine Art städtebauliche Amnesie eingesetzt hat, was den Holzmarkt angeht, der, wir erinnern uns, damals noch von der Stadt meistbietend verkauft wurde, das hätten wir tatsächlich nicht für möglich gehalten. 

Aus den warmen Worten der Politik wurden nun oft Bedenken, Zweifel, ja sogar offenkundige Fake-News. Aber am häufigsten: Schweigen. Die gute Kooperation, die es über Jahre gegeben hatte, wich einer Eiseskälte.

Man kommt in einer solchen Situation als Genossenschaft dann nicht umhin sich auszurechnen, wie viele Legislaturperioden in den 75 Jahren auf die wir hier die Erbpacht geschlossen haben eigentlich entfallen und was das dann zukünftig jeweils für Auswirkungen haben soll. Langfristige und nachhaltige Planung, also genau das was wir in der Stadt und insbesondere am Spreeufer eben so selten haben, wird damit ad absurdum geführt.

Und so zogen die Jahre ins Land, ohne dass verbindliches Planungsrecht geschaffen wurde. Wir sagen mal im Klartext was das bedeutet: Der Holzmarkt ist nicht abgesichert. Wir haben keinerlei rechtliche Sicherheit für die bauliche Entwicklung auf dem gesamten Gelände, lediglich Bestandsschutz. Jeder noch so kleine Um- und Anbau bedarf gesonderter Genehmigungen, die uns zuletzt verwehrt wurden. Dabei geht es weniger um Baugrenzen, Statik oder Brandschutz, sondern die Menschen, die sich gemeinsam auf dem Holzmarkt aufhalten.  Doch war ein öffentliches Spreeufer ein zentrales Ziel des Bürgerbegehrens und auch des städtebaulichen Vertrages. Der Holzmarkt verpflichtete sich, die Grünanlagen zu pflegen, für Sauberkeit und öffentliche Sanitäreinrichtungen zu sorgen. 

Aber große Teile des Holzmarkt-Grundstücks sind weiter nur temporär bebaut und das Eckwerk ist bis heute nicht realisiert. Dennoch müssen die Zinsen und das gesamte Grundstück gezahlt werden. Wenn dann noch Millionen an Planungsleistungen ohne Not und Gegenleistung entwertet werden, führt das zu einer existentiellen Krise. 

So werden wir nicht mehr lange überleben können. 

Und nun zurück ins Jetzt! Sind wir vielleicht „fünf Jahre zu früh“ gewesen, wie uns oft gesagt wird? Ist das wirklich das Ende der Geschichte Holzmarkt? Wir können und wollen das nicht glauben. In dieser Stadt hat es immer wieder grandioses Scheitern gegeben - aber eben immer auch das Gegenteil. Wir sind nicht so weit gekommen, um jetzt aufzugeben. 

Also schauen wir jetzt nach vorn! Reden wir miteinander! Wir haben das weitere Verfahren deshalb an den 90 Tage-Rat aus drei renommierten und unabhängigen Experten abgegeben, der nun versucht was uns offensichtlich nicht mehr möglich war: Vermitteln.

Berlin! Kriegen wir das zusammen hin?

Mehr Infos und Beiträge findet Ihr in unserer Veranstaltung: "Holzmarkt - der Countdown läuft!"

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